Brief 1 - geschrieben am 17. Dezember 2003

Der Aufbruch

Hallo zusammen,

Diese Mail geht an eine ganze Menge Leute in Deutschland, die Fragen an mich geschickt haben. Ich versuche diese Fragen in einer Mail für alle zu beantworten, so ist wohl für jeden was interessantes dabei (hoffe ich). Ich denke, ich werde euch alle auch weiter so auf dem laufenden halten, es sei denn ihr stellt irgendwelche persönliche Fragen, dann antworte ich auch ganz privat. Ich will euch hier nicht am Fließband abfrühstücken, aber bei allem was es hier zu tun gibt und wie viele Leute mir in letzter Zeit geschrieben haben, wäre es echt happig jeden von euch einzeln auf dem laufenden zu halten. Wenn irgendjemand diese Mails nicht bekommen will braucht er nur zu sagen (schreiben), er/sie wird dann von der Liste entfernt. Das gleiche gilt, wenn jemand seine Adresse ändert, oder ich jemanden vergessen habe (ich kann leider z.B. die Adressen meiner ex- Teamkollegen nicht mehr finden :-(, wenn mir da jemand helfen könnte wäre das klasse).

Einleitung für die, die noch gar nicht Bescheid wissen: Ich bin in L.A. Ich bin in L.A., um Schauspieler zu werden. Ich will nicht mehr mit Tech Support mein Brot verdienen, weil es nie mehr so schön sein kann wie meine Zeit bei Systematics. Auch denke ich, dass ich alles, was man in diesem Job erleben kann, erfahren habe. Ich weiss, die Idee ist nicht ganz astrein, aber meine größte Befürchtung war, mein Leben könnte in Routine versacken. Also wählte ich etwas ungewöhnliches. Ich hatte diesen Gedanken schon länger als einen unrealistischen Traum gehegt, hatte aber nie den Mut oder die Mittel, das umzusetzen. Nun hatte ich meine Abfindung in der Tasche und gerade nichts besseres zu tun. Hier bin ich.

Wie es begann: Ich war kurz vor meinem Abschied von Systematics auf den Gedanken gekommen, dass es der Sinn des Lebens sein muss, auf dem Sterbebett sagen zu können: "Ich habe gelebt". Wenn man alle Konsequenzen dieser "Erkenntnis" bedenkt, gibt es wohl kaum eine dümmere Art an das Leben heranzutreten, da man zwangsläufig dazu tendiert absolut unnötige Risiken einzugehen mit der irrsinnigen Begründung, man könnte ja später eine Geschichte zu erzählen haben. Wer dem zustimmt, der darf jetzt mit dem Kopf schütteln und diese Mail schließen, der Rest darf weiterlesen.

Drei Monate hatte ich, um mich vorzubereiten und um altes zu vollenden, und obwohl ich die ganze Zeit daran gearbeitet habe, bin ich nicht fertig geworden (sorry, Fossy, Savio u.a. Ich versuche es nachzuholen, wenn ich kann). Dann ging es los - nach Australien. Australien??? Wieso Australien? LA liegt in Kalifornien, oder? Ja, tut es. Aber die Reise war schon geplant, bevor ich wusste, dass meine Tage bei Systematics/EDS gezählt sind, bevor ich ahnte, dass sich ein ganz neues Leben anbahnt. Zu Australien sein hier nur soviel gesagt: Groß. Riesengroß. Großartig. Schöne Menschen (die hässlichen sind alles Touristen). Tolle, ehrlich nette Menschen. Die Geschäfte schließen um 6:00 die Pubs um 9:00 (okay, ein paar Pubs in Großstädten haben länger offen). Man trinkt mehr Guinness als Foster's. DAS Australische Bier schlechthin ist Toohey's (oder so ähnlich). Sydney ist fast noch schöner als Hamburg ;-). Es gibt sogar Döner .

Ankunft in LA: Ich komme also direkt aus dem Urlaub in LA an, habe einen Koffer, eine Tasche, die Nummern einiger Schauspielschulen und eine Kreditkarte, die Geld von meinem Haspa-Konto lutscht, dabei. Ich soll einen Freund meines Bruders anrufen, der in San Francisco wohnt und der wiederum jemanden in LA kennt, bei dem ich evtl unterkommen kann. Niemand da. Schließlich rufe ich bei der Schauspielschule meiner Wahl an, sage "hallo, da bin ich" (noch am Flughafen) und bekomme erstmal ein Preiswertes Hotel empfohlen ($69 pro Nacht, na ja). Ich miete mich also ein, miete mir eine alte Schrottkarre, und mache mich auf die suche nach dem, was man wohl als erstes in den USA braucht: nach einem eigenen Auto. Die suche nach guten Autos in meiner preisklasse gestaltet sich etwas schwieriger als gedacht, und so muss ich umdisponieren: Wohnungssuche ist jetzt Prio1 (den Freund des Freundes meines Bruders habe ich nie erreichen können).Gleich bei meinem ersten Anruf werde ich darauf hingewiesen, was in den USA wirklich zählt:
Potentieller Vermieter: Hallo?
Andy: Ich habe gehört, Sie vermieten ein Zimmer....
Vorsichtiger potentieller Vermieter: Arbeiten Sie?
Andy: Ich arbeite dran, ich bin vor zwei Tagen erst in den USA angekommen.
Potentieller Bürokrat: Es tut mir leid, aber ich werde das Risiko eines Mieters ihrer Kreditwürdigkeit jemand anderem überlassen. <Klick>

Eine Wohnung ist trotzdem relativ schnell gefunden, obwohl es eigentlich nur 6qm hinter einem Vorhang in der Küche ist, und ich unter meinem Bett wohne. Dafür ist mein Bett 2m über dem Boden angebracht und inzwischen habe ich darunter sogar einen Schreibtisch aufgestellt, und es fängt echt an gemütlich zu werden. Der Vermieter ist auch Klasse, er ist ein "self-employed artist, DJ, web designer,etc", sehr freundlich und ER HAT PROBLEME MIT SEINEM COMPUTER! Ich fühl mich schon wie zu Hause.

Das liebe $$$: And also wieder auf der Suche nach einem fahrbaren Untersatz: Einmal finde ich ein viel versprechendes gebrauchtes Autochen bei einem Händler, der will aber einiges von mir was ich nicht habe: Eine Kontonummer einer Bank in den USA um eine Credit History abrufen zu können, einen US- Führerschein und eine Telefonrechnung als Beweis meiner Residenz in LA. Na toll. Ich mach mich also auf den Weg zu einer Bank of America. Hier kann ich nur ein Konto einrichten, wenn ich $125 einzahle. Soviel habe ich nicht bei mir, also gehe ich zum nächsten Geldomaten und werde mit der Tatsache konfrontiert, dass meine Kreditkarte ein "International Limit" hat, von dem mir vorher noch niemand erzählt hat. Aber mit dem was mir der Automat ausspuckt und dem, was ich dabei habe, bin ich gerade in der Lage ein Konto zu eröffnen. Nach etlichem Hickhack und nächtlichen Telefonaten gelingt es mir endlich, die Haspa davon zu überzeugen, dass ich ich bin, die benötigten Daten zu sammeln und ein Fax mir der bitte um Überweisung zu schicken. Und so warte ich nun auf mein Geld. Glücklicherweise kann ich inzwischen wieder kleine Beträge mit meiner Kreditkarte abheben, ich war also nie in wirklichen Schwierigkeiten, aber ich wurde etwas gebremst. Inzwischen habe ich den Mietwagen gegen ein Fahrrad getauscht, einen eigenen Telefon/Internetanschluss, den Rechner meines Vermieters frisch eingerichtet, mir einen kalifornischen Führerschein (kostet hier keine $30) zugelegt, und fange an, bei der Nachbarin, die abends Tacos verkauft ein paar Brocken Spanisch zu lernen. Und ich Bin bei der Schauspielschule aufgenommen worden und hatte auch schon mein erstes Casting (allerdings nur für einen Studentenfilm)!

Alles in allem geht es mir gut, ich hoffe euch ebenfalls

Andy

 

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